Wanderfahrt auf Finowkanal, Ostoder und Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße vom 27. Mai bis 4. Juni 2012

Nachdem wir im letzten Sommer u. a. die Oder von Eisenhüttenstadt bis zur Einmündung des Oder-Havel-Kanals befahren hatten, wollten wir nun ein weiteres Stück Oder abwärts kennen lernen und gleichzeitig eine Rundtour machen.

Ein Tagebuch von Hannelore Anselm

Pfingstsonntag, 27. Mai
Am Pfingstsonntag starteten wir Richtung Ostdeutschland. Unser Ziel war der Campingplatz „Triangel Tour“ in Niederfinow am alten Finowkanal. (In der Nähe des riesigen Schiffshebewerkes am Oder–Havel-Kanal). Den Platz hatten wir im letzten Jahr kennen gelernt. Dort stellten wir das Auto ab, zelteten für eine Nacht und begannen am nächsten Morgen unsere Wanderfahrt.

Pfingstmontag, 28. Mai
Es ging noch durch zwei Schleusen des Finow-Kanals, bis wir den Oder-Havel-Kanal erreicht hatten, der ab hier bis zur Oder „Alte Oder“ heißt. Einige Kilometer hinter dem Städtchen Oderberg kamen die zwei großen Schleusen. Eine führt ca. 0,80 m hinunter auf die Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße, die andere ca. 1,90 m hinauf auf die Oder (der Fluß heißt hier Ostoder oder auch Stromoder). Diese beiden Wasser, Oder und HoFriWa, laufen bis Stettin sozusagen parallel, mit einem Abstand von bis zu vier Kilometern, und bilden zwischen sich ein riesiges Poldergebiet. Das ist ein Feuchtgebiet, durchzogen von großen und kleinen Wasserläufen. Auf deutschem Gebiet ist es ein Nationalpark und darf überhaupt nicht befahren werden. Weiter Oder abwärts ist es ganz polnisch, hier kann es mit Booten ohne Motor befahren werden. Für Schiffe mit Motor gibt es nur zwei Querfahrten, um von der Oder zur Wasserstraße zu kommen. Einmal bei Schwedt und dann erst wieder bei Stettin. Mit Kajaks hat man noch weitere Möglichkeiten der Querung.

Das ganze Gebiet, soweit wir es befahren haben, ist Natur pur! Wir haben so viele Raubvögel gesehen wie sonst noch nie. An den Wegrändern und auf den Wiesen blühen Pflanzen, die bei uns gar nicht mehr vorkommen. Und es herrscht totale Ruhe!

Wir nahmen also die rechte der beiden Schleusen und erreichten nach einem halben Kilometer die Ostoder.
Nun überraschten uns die Ufer. Sie waren längst nicht mehr so freundlich, wie wir es letztes Jahr auf dem oberen Stück der Oder kennen gelernt hatten. Kaum noch Sandbuchten, sondern sehr viel mit Schilf bewachsene Ufer. Da wird es für uns schwierig, eine vernünftige Anlandestelle zu finden.
Uns fiel auch auf, dass es auf der Ostoder keinerlei Berufs-Schiffsverkehr gab. Und es fehlte jegliche Infrastruktur. Es gab keine Jachtclubs oder Marinas, man sah kein einziges privates Motorboot. Nur immer wieder Angler, am polnischen Ufer.
Später erfuhren wir, dass auf der Oder wegen der ständig wechselnden Wasserstände gar keine Schiffe fahren können, die Berufsschifffahrt spielt sich auf der HoFriWa ab. Und bis zum Schengener Abkommen war die Oder eine strenge Staatsgrenze, da vermied man wohl, sich hier auf dem Fluß freiwillig aufzuhalten. Außerdem kam uns das Wasser der Oder sehr suspekt vor. Baden würden wir hier nicht. Dagegen ist das Wasser der HoFriWa ganz klar und lädt, bei wärmeren Wetter, zum Baden ein.
Für die nächste Übernachtung fanden wir eine passable Anlandestelle und einen schönen Platz auf großer Wiese direkt am Ufer. War es im Nationalpark? Ich konnte es auf meiner Karte nicht ganz ausmachen, hatte aber ein bisschen den Hintergedanken, hoffentlich kommt kein Ranger. Und über Wildschweine an der Oder hatte ich auch gelesen und es hatte mich ein wenig beunruhigt. Aber weder der eine noch die anderen kamen, es war eine ganz ruhige Nacht. Alles, was es hier abends an Geräuschen gab, war ein überwältigendes Konzert von Vogelstimmen.
Diese Nacht (wie auch die weiteren auf der Tour) war recht kalt, einmal hatten wir nur 5 Grad. Im Schlafsack war es aber immer schön warm.
Wir hatten auch viel Wind auf unserer Fahrt, und der kam immer von vorn. Dafür schien oft die Sonne, es gab blauen Himmel und weiße Wolken. Nur abends, wenn wir nach dem Essen noch ein bisschen sitzen wollten, machte der Wind es kalt und ungemütlich.

Die Planung für diese Tour war, auf der Ostoder abwärts bis Stettin zu paddeln, dort auf die Westoder und HoFriWa zu wechseln, die aufwärts zu fahren und über die Alte Oder und den Finow-Kanal zurück zum Campingplatz zu kommen.

Dienstag, 29. Mai
Wir wussten, dass wir nach dieser ersten „wilden“ Übernachtung auf dem Weg nach Stettin noch einmal frei zelten müssten. Inzwischen hatten wir sehr kräftigen Wind von vorn, aber die Oder fließt ja auch ein bisschen. Wir kamen an einer für Paddler möglichen Querfahrt (Marienhofer Wehr) vorbei und waren nun ganz auf polnischem Gebiet. Nachdem wir weitere 3 Kilometer gepaddelt hatten, stellten wir fest, dass sich die Ufer immer unwirtlicher entwickelten, der Schilfgürtel wurde tiefer, das Land sumpfiger. Es gab keine Möglichkeit, die Boote an Land zu bringen geschweige denn, hier eine Zeltmöglichkeit zu finden. Um nicht in richtige Schwierigkeiten zu kommen ( kein Zeltplatz, einbrechende Dunkelheit), entschieden wir uns, drei Kilometer zurückzupaddeln, um bei der Querfahrt auf die HoFriWa zu wechseln. Die Oder floß uns nun zwar entgegen, aber der Wind, den wir vorher von vorn hatten, schob uns jetzt ein wenig von hinten. In der Querfahrt gab es noch mal ganz starken Wind und auch sehr bewegtes Wasser, aber nach einiger Zeit war das geschafft und wir kamen auf die Wasserstraße. Jetzt waren wir sozusagen schon innerhalb unserer Rundtour auf dem Rückweg. Wären wir bis Stettin gekommen, hätte unsere Reise vier bis fünf Etappen länger gedauert.
Aber so ist das bei diesen Paddeltouren, man weiß vorher nie ganz genau, wie es sich entwickelt.

Sehr bald fanden wir einen schönen Übernachtungsplatz bei einem Motorbootclub. Zwei Radlerinnen bauten nach uns hier ebenfalls ihre Zelte auf.

Mittwoch, 30. Mai
Weiter ging es dann am nächsten Tag auf der Wasserstraße. Es ist eigentlich ein Kanal, aber die Ufer sind so natürlich bewachsen und die Umgebung ist schön anzusehen. Es gibt Wälder im Hintergrund, Erhebungen in der Ferne. Manchmal paddelt man an Orten vorbei, die hoch über dem Kanal liegen.
Und der Verkehr durch die Berufsschifffahrt hielt sich sehr in Grenzen.
Noch zweimal übernachteten wir an der HoFriWa. Einmal auf einem Campinggelände / Wassersportzentrum der Stadt Schwedt. Hier hatten wir richtige Sanitäranlagen, konnten mal wieder duschen. Später gingen wir noch in die Innenstadt. Aber es war schon kurz vor 18.00 Uhr, und wie in allen kleinen Städten wirkte es zu dieser Uhrzeit schon ziemlich ausgestorben. Die Innenstadt sah ganz ansprechend und gepflegt aus. Auf dem Weg dahin (am Kanal gelegen) durchquerten wir schöne Parkanlagen.

Donnertag, 31. Mai
Die nächste Übernachtungsmöglichkeit, die wir jetzt anstrebten, war in meinen Unterlagen bei dem Ort Stolzenhagen als Sportboothafen mit WC und Wasser genannt. Aber das war ein Reinfall, das war vielleicht vor 20 Jahren so! Es gab weder ein WC noch einen Wasseranschluß, die Slipanlage, um die Boote aus dem Wasser zu bekommen, war eine Buckelpiste aus Feldsteinen, die Zeltwiese krumm, schief und ausgedörrt. An den maroden Stegen dümpelten zwei Segelboote (wahrscheinlich von Anwohnern des Ortes), ansonsten fuhren alle Motorboote vorbei. Wir mussten aber hier bleiben, jede andere Möglichkeit zum Übernachten wäre nicht mehr erreichbar gewesen. Zum Glück waren wir schon sehr früh hier angelandet, hatten also viel Zeit, uns alles in Ruhe anzusehen und zu überlegen. Wir entschieden uns für eine Stelle, etwas entfernter von der Slipanlage und der ausgedörrten Zeltwiese. Hier war das Gras dick und grün und der Boden eben. Mit vereinten Kräften holten wir die Boote aus dem Wasser. Und wenn ein Boot dann erstmal auf dem Bootswagen liegt, spielt es keine Rolle, ob man es ein paar Meter weiter ziehen muß.
So hatten wir nachher einen wunderbaren Platz, im Windschatten und mit Blick auf das Wasser.
Nach unserem Abendessen gingen wir noch eine Runde spazieren. Eine Brücke führte über den Kanal in das Poldergebiet. Hier geht auch der Oder-Neiße-Radweg entlang. Es ist eine wunderschöne stille Landschaft.

 

Freitag, 1. Juni
Nachdem wir am nächsten Tag die Schleusung von der HoFriWa zur Alten Oder hinter uns hatten, machten wir Station in Oderberg. Letztes Jahr hatten wir auf dem Wasserwanderrastplatz gezeltet. Diesmal wollten wir zum Kanu-Verleih, der uns damals ebenfalls das Übernachten auf seinem Gelände angeboten hatte. So eine freundliche Aufnahme! Bei der Kanustation war eine Telefonnummer angegeben. Wir riefen an und in drei Minuten war der Besitzer da. Weil das Wetter nicht so toll war, hatte er an dem Tag keine Kundschaft, die sich Boote ausleihen wollte. Wir konnten unser Zelt aufbauen, wo es uns gefiel. Und dann füllte er uns noch einen Wasserschlauch mit Trinkwasser aus seiner Wohnung. Auf dem Gelände gibt es nämlich keins, auch keine richtigen Sanitäranlagen, nur ein Dixiklo.

Sonnabend, 2. Juni bis Montag, 4. Juni
Am nächsten Morgen starteten wir zu unserer letzten Paddeletappe. Bei der Schleuse im Finow-Kanal, die ganz nah am Campingplatz liegt, hatten wir ein etwas trauriges Erlebnis.
Eine nette Schleusenwärterin erwartete uns schon (die vorherige Schleuse hatte uns bereits angemeldet). Wir konnten sofort einfahren, dann begann der Schleusenvorgang. Als das Wasser uns ganz nach oben gehoben hatte, wollte die Bedienung die oberen Tore öffnen, damit wir ausfahren konnten. Dazu musste sie eine Kurbel mit einem großen metallenen Griff drehen. Plötzlich schlug ihr dieser Griff aus der Hand und knallte mit voller Wucht gegen ihre Stirn. Die Frau torkelte etwas hin und her und hielt sich die Hand an die Stirn. Wir sahen, dass Blut über ihr Gesicht und auf die Kleidung floß. Sofort stieg Volker aus dem Boot, kletterte an der eisernen Leiter nach oben. Zum Glück waren wir ja schon durch den Schleusenvorgang weit oben, so waren es nur noch wenige Sprossen bis aufs Gelände. Volker kümmerte sich um die Schleusenwärterin. Hinlegen wollte sie sich nicht, sie setzte sich auf einen Poller. Mit Taschentüchern fing sie das Blut auf. Sie versuchte mit ihrem Handy zu telefonieren, aber irgendwie klappte es nicht. Vielleicht war sie einfach zu aufgeregt. So rief ich mit meinem Handy vom Boot aus den Notdienst an und beschrieb den Ort und die Situation. Der Notarzt-Wagen sollte dann gleich kommen.
Solange der aber nicht da war, wollten wir die verletzte Frau auf keinen Fall allein lassen. Sie bat dann darum, in dem Wohnhaus neben der Schleuse Bescheid zu sagen, dort wohnen Verwandte von ihr. Nachdem Volker ein paar mal gerufen hatte, hörte es der Nachbar und kam herüber. Er war sofort bereit, bis zur Ankunft des Notarzt-Wagens bei der Schleusenwärterin zu bleiben.
Wir setzten unseren Weg fort und waren nach einigen Metern am Campingplatz. Als wir von dem Unfall erzählten, erfuhren wir, dass hier vor kurzem ein Notarztwagen vorbeigefahren war.
Immer wieder dachten wir an die nette Schleusenwärterin, sie tat uns so leid. Daß ihr so etwas passieren musste!

Beim Campingplatz beluden wir sofort unser Auto. Um 16.00 Uhr fuhren wir vom Gelände, unser Ziel war nun die Stadt Oranienburg. Beim dortigen Wassersportclub „Möwe“ (Motorsport, bei dem wir im letzten Jahr sehr freundliche Aufnahme gefunden hatten), wollten wir für zwei Nächte bleiben. Von Oranienburg kann man schnell mit der S-Bahn nach Berlin kommen, und der Verein liegt nah zur S-Bahn-Station. Wir wollten nämlich am nächsten Tag unsere Tochter in Berlin besuchen.

In meinen Unterlagen hatte ich gelesen, dass der Verein auch ein einziges Zimmer zur Übernachtung anbietet. Da wir unser Zelt so schön trocken eingepackt hatten, waren wir gar nicht mehr erpicht darauf, zu zelten. Das Zimmer war frei, wir nahmen es und erlebten darin die reale DDR, was die Einrichtung anging. Was aber bei einer festen Unterkunft ungewöhnlich war: es gab keinen Strom! Beim Verein hatte es nämlich vor einigen Tagen im Technik-Raum gebrannt, und noch waren nicht alle Stromleitungen wieder hergerichtet. Also war es wie Zelten, diesmal nur in festen Wänden! Für die letzten Handgriffe beim Zubettgehen, wenn es schon dunkel war, zündeten wir unsere Teelichtlampen an .

Am nächsten Tag, einem Sonntag, besuchten wir unsere Tochter in Berlin und verbrachten einen schönen Tag mit ihr.

Mit dem Gefühl, wieder eine sehr interessante Gepäckfahrt erlebt zu haben, ging es am darauf folgenden Tag nach Buxtehude zurück.

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